Werdegang Einspruchsverfahren Einkommensteuerbescheid (Beispiel)
Die Steuerkanzlei TaxCollector hat für Euch einen Ablauf eines Einspruches zusammengestellt. Dieser Musterfall startete für das Steuerjahr 2019 und ging für die Steuerjahre 2020, 2021 in die nächsten Runden. Hintergrund war die Nichtanerkennung der Verpflegungsmehraufwendungen für die Anreise Tage und Abreise Tage zum Einsatzflughafen. Weil das Finanzamt der Auffassung war, dass der Flughafen die 1. Tätigkeitsstätte ist.
AGENDA
Begründung/Schreiben Finanzamt
Begründung/Schreiben Steuerberater
Der Musterfall einer LH Kollegin (Steuerjahr 2019)
10.03.2022 laut Einkommensteuerbescheid 2019: Erläuterungen und Ablehnung seitens des Finanzamtes in Bezug auf die Dienstplanauswertung (Verpflegungsmehraufwendungen)
Gemäß Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 01.01.2014 ergibt sich hinsichtlich der Verpflegungsmehraufwendungen eine neue Rechtslage. Danach sind Verpflegungsmehraufwendungen als Reisekosten anzusetzen, wenn diese durch eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit (§ 9 Abs. 1 Nr. 4a EstG) entstehen. Eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig wird. Durch den Arbeitsvertrag bzw. das Versetzungsschreiben ist der Stationierungsort/Einsatzflughafen/Homebase laut arbeitsrechtlicher Zuordnung Ihre erste Tätigkeitsstätte. Verpflegungsmehraufwendungen für die An- und Abreisetage zum Einsatzflughafen können daher nicht angesetzt werden. Verpflegungsmehraufwendungen auf Dienstreisen werden von Ihrer Arbeitgeberin erstattet. Nicht erstattete Aufwendungen können nur gemäß Streckeneinsatz-Abrechnungen anerkannt werden.
29.03.2022 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 eingelegt, erstmal ohne Begründung, damit man in der Frist liegt
24.05.2022 Begründung Steuerberater ans Finanzamt übermittelt
Es trifft zunächst zu, dass in der Hauptsache der BFH zum Verfahren in der Sache VI R 17/17 umfangreiche Ausführungen gemacht hat und in Teilen auch ein Ergebnis über die grundsätzliche Zuordnung von Mitarbeitern zu einem Flughafen weitreichende Erörterungen wiedergibt. Gleichwohl kann die Entscheidung des BFH in der Sache noch keinen Abschluss haben, da der Senat aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen konnte, ob die Kläger auf dem Betriebsgelände der Lufthansa am Flughafen auch im erforderlichen Umfang tätig geworden sind, um diese betriebliche Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG einzuordnen.
Die erkennende Vorinstanz hatte insoweit lediglich festgestellt, dass die Kläger ihren fliegerischen Dienst regelmäßig am Flughafen begonnen und beendet haben. Hieraus lässt sich jedoch lediglich auf die Anwesenheit auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin am jeweiligen Flughafen schließen. In welchem Umfang dort eine tatsächliche Berufstätigkeit nachgekommen wurde, d.h. zumindest in geringem Umfang arbeitsvertraglich geschuldete, berufsbildbezogene Tätigkeiten ausgeübt wird, ist bisher weder durch den BFH noch durch die Vorinstanz erkannt worden. Entsprechende Erkenntnisse lassen sich auch nicht aus eventuellen Flugstunden-Übersichten gewinnen.
Auch der Hinweis, dass andere Lehrgänge, Bürotätigkeiten, Gesundheitsüberprüfungen, Bereitschaftsdienste oder Simulatortraining am Standort abgeleistet würden, mag nicht zu überzeugen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass für Bürotätigkeiten bereits grundsätzlich an der Basis keine Möglichkeit angeboten wird. Weiterhin können die Gesundheitsprüfungen bei anderen Fliegerätzen im ganzen Bundesgebiet erbracht werden. Auch ist für Reserve- sowie Bereitschaftsdienste keine zwingende Anwesenheit in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin vorgeschrieben. Die Trainings finden darüber hinaus in anderen Einrichtungen statt, die mithin außerhalb des Flughafens liegen und einem anderen Anbieter (mithin anderem Unternehmen) zuzurechnen sind.
Vor dieser Zusammenfassung darf erwartet werden, dass das Finanzamt entweder vollumfänglich diesen Bedenken entgegentritt, alternativ das entsprechende Urteil aus dem zurückverwiesenen Verfahren in der Sache VI R 17/17 abgewartet wird und das Verfahren somit weiter ruhend gestellt bleibt.
30.05.2022 – Finanzamt: Erledigung des Verfahrens wegen Teilstattgabe
Dem Rechtsbehelfsantrag kann teilweise entsprochen werden – zum anderen Teil ist der Einspruch unbegründet:
Eine Flugbegleiterin, die von ihrem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die sie als Flugbegleiterin arbeitsrechtlich schuldet, hat dort ihre erste Tätigkeitsstätte (BFH-Urteil VI R40/16). Aufgrund der dienstrechtlichen Festlegung des Arbeitgebers i.S. des §9 Abs. 4 Satz 1 EstG kommt es auf die Erfüllung des quantitativen Kriterien des §9 Abs. 4 Satz 4 EstG nicht an.
Die Zuordnung zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie diese ausfüllenden Absprachen bestimmt. Bitte reichen Sie daher die arbeitsrechtliche Zuordnung, das Versetzungsschreiben oder Ähnliches als Nachweis für die Weisung zur ersten Tätigkeitsstätte ein.
Der Fall ging für Steuerjahre 2020 und 2021
01.07.2022 Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 2020 und 2021 eingelegt und gleiche Begründung wie am 24.05.2022 gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 rausgeschickt
20.07.2022 – Begründung Finanzamt an den Steuerberater:
Verpflegungsmehraufwendungen für die Anreisetage und Abreisetage zum Einsatzflughafen können daher nicht angesetzt werden. Verpflegungsmehraufwendungen auf Dienstreisen werden von dem Arbeitgeber erstattet. Nicht erstattete Aufwendungen können gemäß Streckeneinsatz-Abrechnungen anerkannt werden.
Für 2020 können anhand der eingereichten Streckeneinsatz-Abrechnungen Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 43,50 € (Spalte „Steuer“) und für 2021 in Höhe von 370,00 € anerkannt werden.
27.09.2022 – Rückmeldung Steuerberater, bezugnehmend auf das Schreiben vom 20.07.2022 des Finanzamtes
Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 20.07.2022, werden die steuerfreien Spesen des Arbeitgebers wie folgt berechnet:
Der Spesenanspruch z.B. 500,00 € wird gegen die Steuer z.B. 100,00 € und ggf. gegen die Werbungskosten 50,00 € subtrahiert)= 350,00 € steuerfreie Spesen. Diese steuerfreien Spesen werden gegen unsere Berechnung der Verpflegungsmehraufwendungen gerechnet.
In 2020 sieht die Berechnung wie folgt aus:
Gesamtsumme Verpflegungsmehraufwand: 1.100,00 €
MINUS -312,00 € (steuerfreie Spesen des Arbeitgebers)
ergibt einen ansetzbaren Verpflegungsmehraufwand von: 788,00 €
In 2021 sieht die Berechnung wie folgt aus:
Gesamtsumme Verpflegungsmehraufwand: 1.910,00 €
MINUS -1.474,00 € (steuerfreie Spesen des Arbeitgebers)
ergibt einen ansetzbaren Verpflegungsmehraufwand von: 436,00 €
Wir bitten um Prüfung des Sachstandes.
Zusammenfassung der Schreiben zwischen Finanzamt und Einspruchssteller gegen die Einkommensteuerbescheide 2019, 2020 und 2021
14.02.2023 Rückmeldung Finanzamt zum o.g. Einspruchsverfahren
17.05.2023 Rückmeldung Steuerberater, bezugnehmend auf das Schreiben vom 14.02.2023 des Finanzamtes
Bezugnehmend auf die erste Tätigkeitsstätte/Reisekosten/Fahrtkosten:
Zum aktuellen Stand der Reisekosten: 6 K 207/21 ist nicht rechtskräftig, weil NZB Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH unter VI B 4/23 eingelegt wurde.
Verpflegungsmehraufwand:
im Anhang finden Sie bitte die PDF "Berechnungsgrundlage-Dienstplanauswertung"
23.05.2023 Rückmeldung Finanzamt, bezugnehmend auf die Begründung des Steuerberaters vom 17.05.2023
1. Tätigkeitsstätte
Ihren Hinweis auf das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (Aktenzeichen VI B 4/23) habe ich vernommen. Auf das Rechtsbehelfsverfahren hat dies grundsätzlich keine Auswirkungen, insbesondere kommt ein Ruhen nach § 363 (2) s. 2 Abgabenordnung (АО) nicht in Betracht. Nach § 363 (2) s. 2 Abgabenordnung unterliegt der Einspruch der sog. Zwangsruhe, wenn wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestutzt wird. Bei der Beschwerde Uber die Nichtzulassung der Revision handelt es sich nicht um ein Verfahren im Sinne von § 363 (2) s. 2 Abgabenordnung, da es sich um summarisches Verfahren Uber das Vorliegen von Revisionsgründen handelt und eben nicht um ein auf Klärung einer Rechtsfrage gerichtetes Verfahren (Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 363 АО, Rnd. 190). Näheres dazu können Sie auch der Randziffer 32 des genannten Urteils des Finanzgerichts Hamburg Az.; 6 K 207/21 entnehmen. Aufgrund der gesicherten Rechtsprechung des BFH scheidet auch ein Ruhen aus Gründen der Zweckmäßigkeit gern. § 363 (2) s. 1 АО aus. Im Übrigen verweise ich auf mein Schreiben vom 14.02.2023.
2. Verpflegungsmehrsaufwendungen
Nach Überprüfung der eingereichten Unterlagen ist das Finanzamt weiterhin der Auffassung,dass die Berechnungsformel Gesamtspesen - steuerpflichtige Spesen - Werbungskosten
= vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzte Verpflegungsmehraufwendungen unzutreffend ist. vielmehr lässt sich den Ausführungen entnehmen, dass die Werbungskosten nicht von den Gesamtspesen abzuziehen sind. Hierzu heißt es: „Die Summe beinhaltet keine geleisteten Zahlungen und abgeführte Steuern durch den Arbeitgeber (Deutsche Lufthansa AG). Folglich müssen diese Werte von der Dienstplanauswertung abgezogen werden. Bereits im Schreiben vom 14.02.2023 habe ich Ihnen näher erläutert, dass es sich bei den in der Spalte „Werbungskosten" aufgeführten Beträge nicht um zahlungswirksame Vorgänge handelt. Entsprechend den obigen Ausführungen sind diese nicht von den Gesamtspesen abzuziehen.
31.05.2023 Stellungnahme Steuerberater/Mandantin zu den Einsprüchen 2020 und 2021
Betr: Stellungnahme zu den Einsprüchen gegen die Bescheide für 2020 und 2021
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Tätigkeit als Flugbegleiterin erfordert neben der Arbeit im Flugzeug zunächst diverse "Bodenereignisse" am Frankfurter Flughafen die ich Ihnen hier gerne benenne! Es handelt sich u a um regelmäßiges praktisches Training im Simulator in dem verschiedene Notfallsituationen geübt werden! Ausserdem Besprechung von Fallbeispielen im Lehrsaal so wie Fragestellungen zu Emergency (inclusive Tests) und Handhabung von entsprechendem Equipment! Dazu kommen Qualifikationsseminare mit Themen wie Kundenorientierung, Kommunikation und Service so wie Bordverkaufsschulung u a. All diese Schulungen dienen der Lizenzerhaltung auf drei Flugzeugmustern die im Wechsel und je nach Strecke mein Arbeitsplatz sind und auf die ich mich jeweils (Zuhause) vorbereiten muss!
Hiermit komme ich zur Frage welchen Umfang meine Tätigkeit im "Homeoffice" einnimmt!! Auf meinem dienstlichen I Pad habe ich regelmäßig Lernprogramme/Tutorials mit zeitlichen Vorgaben "deadlines" zu bearbeiten, für die es an dem entsprechen Tag ein Symbol in meinem Einsatzplan gibt, so wie die Anrechnung der erforderlichen Zeit im Homeoffice! Es handelt sich u a um Vorschriften/Sicherheitsregeln an den Flughäfen, Umgang mit besonderem Gepäck bzw. auch Gefahrgütern, Passagieren mit Flugangst, so wie mit behinderten Gästen an Bord etc!
Hinzu kamen in den betroffenen Jahren die zahlreichen Restriktionen und Vorschriften (insbesondere sehr aufwändiger Administration) im Umgang mit der Pandemie, die einen erheblichen Zeitaufwand generierten! Ausserdem findet die Vorbereitung für meine Flüge, unser Crewbriefing so wie die Planung meiner Einsätze für den Folgemonat ausschließlich Zuhause statt!
Dies gilt auch für den schriftlichen Austausch mit meinem Teamleiter und den Kollegen vom vorhergehenden Flug....zum Beispiel zur Abklärung von Unregelmäßigkeiten während des Fluges zu denen ggf. ein Bericht verfasst werden muss....was im Übrigen dann auch Zuhause stattfindet, so wie ebenfalls meine Urlaubsplanung u a Formalitäten !
Die entsprechenden Nachweise aus den Jahren 2020/2021 finden Sie im Anhang.
Hier wie besprochen ergänzend zu meinen Erläuterungen eine Übersicht meiner Zeitaufwendungen im Homeoffice!
Ebenfalls sende ich die Nachweise meiner zusätzlich absolvierten Kurse, da ich neben der Tätigkeit als Flugbegleiterin Teil des Kriseninterventionsteams im Konzern bin, und es hier ebenfalls erforderlich ist, sich regelmässig mit "Updates "u a in Form von Lernmodulen vertraut zu machen! Übersicht 2020/2021: folgende Auflistung sind den Flugstundenübersichten aus den betreffenden Jahren zu entnehmen!
01.03.2020: LMS Lernprogramm/Tutorial online
07.06.2020: Emergencytraining A 340 (Vorbereitung Zuhause)
08.06.2020: AV Studium Lizenz
06.07.2020: Erste Hilfe Schulung
04.09.2020: Emergencytraining A320 (Vorbereitung Zuhause)
17.10.2020: Emergencytraining /Crew Ressource Management (Vorbereitung
Zuhause)
18.10.2020: Emergency /Cockpit und Umgang mit Gefahrgütern (Vorbereitung Zuhause)
12.01.2021: LMS Lernprogramm /Tutorial online
02.07.2021: Emergency...neue Vorschriften ( Bearbeitung Zuhause)
28.08.2021: Emergencytraining A340 (Vorbereitung Zuhause)
21.09.2021: Emergencytraining A320 (Vorbereitung Zuhause)
11.10.2021: Beantragung US- Visum (administrativer Zeitaufwand von ca 5.Std Zuhause)
10.07.2023 Rückmeldung Finanzamt zu den Einsprüchen 2019, 2020 und 2021 – bezugnehmend auf das Schreiben des Steuerberaters vom 31.05.2023
14.08.2023 Rückmeldung Steuerberater zu den Einsprüchen 2019, 2020 und 2021 – bezugnehmend auf das Schreiben des Finanzamtes vom 10.07.2023
bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 10.07.2023, finden nachfolgend unsere Erläuterung, bzw. die Nachweise im Anhang. Vielen Dank für die Anerkennung der Homeoffice-Pauschale. Laut Ihrer Streckeneinsatzabrechnung-Aufstellung fehlen einige Abrechnungen, diese finden Sie bitte im Anhang.
Anmerkungen: Am 15.03.2019 ist die Mandantin NICHT geflogen, dementsprechend gibt es auch keine Abrechnung. Der einzige Umlauf im März 2019 war vom 22.03. - 25.03.2019, hier finden Sie die entsprechende Streckeneinsatzabrechnung. Im Mai, Juni und Dezember 2020 ist die Mandantin nicht geflogen, daher gibt es auch keine Streckeneinsatzabrechnungen.
Zwecks Ihres Schreibens von 23.05.2023 und unserer Mitteilung "Zum aktuellen Stand der Reisekosten: 6 K 207/21 ist nicht rechtskräftig, weil NZB Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH unter VI B 4/23 eingelegt wurde" werden wir nochmal Rücksprache mit dem Sachbearbeiter halten müssen und bitte freundlichst um Fristverlängerung bis zum 31.08.2023.
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