Piloten und Flugbegleiter: Wo ist die erste Tätigkeitsstätte?
Doppelte Fahrtkosten für das Bordpersonal?
Entfernungspauschale oder Reisekosten?
Fragen die wir gerne in diesem Blogbeitrag aufklären möchten, denn die Antworten man finanziell schon einen riesigen Unterschied in einer Steuererklärung für Flugbegleiter oder Steuererklärung für Piloten
Am 13.Oktober wurde vor dem Finanzgericht (FG) Hamburg einer der als einschlägig zu bezeichnenden Fälle in Sachen „Doppelte Fahrtkosten“ verhandelt. Seit wenigen Tagen ist nunmehr die Urteilsbegründung verfügbar.
Um es kurz zu machen: der Flughafen ist „erste Tätigkeitsstätte“ im Sinne des Gesetzes. Damit sind nicht mehr (wie bis 2013) die vollen Fahrtkosten aus Einsatzwechseltätigkeit als Werbungskosten absetzbar, sondern nur noch die einfache Entfernungspauschale (0,30€ je Entfernungskilometer für die ersten 20 Km, ab dem 21 Km sind es ab 2022 0,38 €).
Aber der Reihe nach…
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2014 wurde unter anderem auch eine Reform des Reisekostenrechts durch den Gesetzgeber in Angriff genommen. Die für das Flugpersonal günstigen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) aus den Vorjahren waren durch die entsprechenden Gesetzesänderungen im Einkommensteuergesetz (EStG) nicht mehr anwendbar. Somit ist ein Verweis auf die früheren Entscheidungen des BFH ab Veranlagungszeitraum 2014 ff. obsolet. Als Folge der Änderung des Reisekostenrechts wurde in der Literatur verschiedene Standpunkte vertreten, welche Anforderungen denn an eine „erste Tätigkeitsstätte“ zu stellen seien. Auch das Bundesministerium der Finanzen hat in zwei Rundschreiben hierzu seine eigene Sicht dargestellt und somit der Finanzverwaltung einen klaren Handlungsrahmen abgesteckt.
Das nunmehr erstinstanzliche Urteil des FG Hamburg ist in seiner Auslegung, was denn die Anhaltspunkte für eine „ersten Tätigkeitsstätte“ seien, sogar noch breiter in der Auslegung als die bisherigen Hinweise und Beispiele in den betreffenden BMF Schreiben. Geklagt hatte eine Copilotin mit Wohnsitz im Ausland (begrenzt steuerpflichtig in D). [Auf Grund der vor dem FG Hamburg strittigen Punkte würde sich aber auch für einen in D lebende Mitarbeiter des Bordpersonals keine andere Entscheidung ergeben haben]In der steuerlichen Veranlagung versuchte sie für den Veranlagungszeitraum 2014 (wie bereits in den Vorjahren auch), neben den Übernachtungen am Dienstort die folgenden Fahrt- und Flugkosten als Werbungskosten anzusetzen:
- Mietwagen (Fahrten Hotel - Flughafen)
- Tankkosten für Mietwagen und Kosten Vignette
- Fahrten Wohnung B - Flughafen B
- Flugkosten Wohnung B - Flughafen C
- Fahrtkosten öffentliche Verkehrsmittel
- Fahrten Wohnung B - Flughafen C
- Weiterhin wurden Verpflegungsmehraufwendungen geltend gemacht, nämlich einmal
Spesendifferenzen lt. Streckeneinsatzabrechnungen s o w i e je Reise von und nach C 12,00 € pro Reisetag
Erklärung:
ersteres ist bekannt als „Dienstplanauswertung“, was z.B. mit Programmen wie MyRoster geschieht. Hier wird eine Differenz aus den steuerlich zu berücksichtigenden Länderpauschalen für die einzelnen Umläufe mit den vom Arbeitgeber bezahlten Spesen errechnet. Die 12€ hingegen sind als innerdeutsche Abwesenheitspauschalen für den Abreisetag bzw. den Rückreisetag angesetzt wordenDas zuständige Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid für 2014, in dem es lediglich die Kosten für die Übernachtungen und Flüge in voller Höhe berücksichtigte und Verpflegungsmehraufwendungen nur in Höhe der Spesendifferenz. Die Fahrtkosten für die Wege zwischen der Wohnung in B und dem Flughafen in B bzw. dem Flughafen in C berücksichtigte das Finanzamt nur in Höhe der Entfernungspauschale (0,30 € je Entfernungskilometer – also einfache Fahrt für die ersten 20 Km, ab dem 21 KM ab 2022 0,38 €). Zur Begründung wies das Finanzamt darauf hin, dass die Luftverkehrsgesellschaft den Flughafen C arbeitsvertraglich als erste Tätigkeitsstätte zugewiesen habe, sodass Verpflegungsmehraufwendungen für die An- und Abreisetage zum Einsatzflughafen nicht angesetzt und die Fahrten zwischen der Wohnung und dem Einsatzflughafen eben nur in Höhe der Entfernungspauschale berücksichtigt werden könnten. Im Einspruchsverfahren wurde unter Verweis auf die BMF-Schreiben vorgetragen, dass es sich beim Stationierungsort des fliegenden Personals nicht um eine erste Tätigkeitsstätte handelt; diese sei das Flugzeug, welches aber keine ortsfeste betriebliche Einrichtung darstelle. Daher seien die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Flughafen nach Reisekostenrecht zu berücksichtigen und zusätzlich Verpflegungsmehraufwendungen auch für die Tage der Anreise zum Flughafen bzw. der Rückkehr zum Wohnort zu gewähren.
Mit einer Einspruchsentscheidung wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Die Copilotin habe ihre erste Tätigkeitsstätte in C, weil der Flughafen eine ortsfeste betriebliche Einrichtung sei und das Bordpersonal aufgrund dienst- und arbeitsrechtlicher Festlegungen dem Flughafen zugeordnet sei.Hierauf wurde Klage vor dem FG Hamburg erhoben. Die entsprechenden Vorträge selbst sollen hier nicht weiter erörtert werden, da diese durch das Gericht im Rahmen des Urteils wieder aufgegriffen wurden. Der erkennende Senat des FG Hamburg geht hierbei auf folgende Punkte explizit ein:Es besteht zumindest eine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen eines Heimatflughafens (Homebase). Die Zuordnung ist nicht nur von vorübergehender Natur, sondern an sich auf Dauer ausgelegt. Nur für den Fall das eine solche Zuordnung nicht getroffen worden sei, kommt es zu den weiteren Auffangtatbeständen (= typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll). Auch eine Zuordnung des Flughafens vor der Änderung des Steuergesetzes ist unerheblich, da beide Parteien genügend Zeit für eine entsprechende Anpassung an die neuen Umstände gehabt hätten. Somit wäre es Sache aus dem Verhältnis Arbeitnehmer/Arbeitgeber gewesen, die entsprechende neue Gesetzeslage auch mit Leben zu erfüllen – was jedoch offensichtlich nicht erfolgt ist.
Weiterhin wird im Urteil davon ausgegangen, dass die Copilotin auch „in hinreichendem Umfang“ dort tätig werde. Hierzu wird verwiesen insbesondere darauf verwiesen, dass es nach der Gesetzesbegründung unerheblich sei, „in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an der arbeits- oder dienstrechtlich dauerhaft zugeordneten Tätigkeitsstätte oder an anderen Tätigkeitsstätten ausübt (BT-Drs. 17/10774, S. 15)“Der Arbeitnehmer müsse an der festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest „in ganz geringem Umfang tätig werden (…), z. B. in Form von Hilfs- und Nebentätigkeiten wie dem Abgeben von Stundenzetteln oder Krankmeldungen (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412, Rz. 6).“ Wie bereits eingangs erwähnt finden sich in der Literatur unterschiedliche Ansätze zur Qualifizierung der „ersten Tätigkeitsstätte“. So wird zum Teil davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausübt, wofür organisatorische Tätigkeiten (wie z.B. lediglich die Abgabe von Krankmeldungen) nicht genüge. Für den erkennenden Senat ergab sich diese Erfordernis jedoch nicht, da die die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Tätigkeit geregelt als auch vorausgesetzt sei, dass „der Arbeitnehmer an der Einrichtung erscheinen und überhaupt tätig werden soll.“ Der Senat führt weiter aus, dass indes eine lediglich „abstrakte Zuordnung aus rein organisatorischen Gründen“ nicht ausreichend sei.
Der Senat verkürzt weiter seine Bedenken indem er klarstellt, dass am Flughafen in einem hinreichenden Umfang die eigentliche Berufstätigkeit ausgeübt werde.
Ausweislich der Einsatzpläne sei die Klägerin jeweils vor und nach jedem Streckeneinsatz anwesend. Weiterhin musste sie vor jedem Abflug an den Briefings teilnehmen und im Flugzeug diverse Vorbereitungstätigkeiten durchführen. Ferner fanden am Flughafen routinemäßigen medizinischen Untersuchungen, Bürodienst, Bereitschaftsdienste wie auch Simulatortrainings statt. (Anm.: eine solche Aufzählung ließe sich wohl in ähnlicher Weise auch bei Kabinenpersonal machen).Aus Sicht des Gerichts genüge dies bereits „für die Annahme einer tatsächlichen Tätigkeit an der ersten Tätigkeitsstätte“. Ein Verstoß gegen das Nettoprinzip oder eine Ungleichbehandlung mit Gewerbetreibenden sei weiterhin auch nicht erkennbar.
Mit der Entfernungspauschale (0,30€ je Entfernungskilometer) sind gemäß Einkommensteuergesetz „sämtliche Aufwendungen“ des Arbeitnehmers abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind.
Erfahrungsgemäß wird dieses Urteil auch in der Finanzverwaltung nach und nach bekannter werden, so dass für zukünftige Steuererklärungen mit noch mehr Ablehnungen der doppelten Fahrtkosten zu rechnen ist.
Da es sich hier nicht um ein letztinstanzliches Urteil handelt und die Revision zum Bundesfinanzhof bereits zugelassen wurde, würden wir betroffenen Steuerpflichtigen raten, dennoch Einspruch gegen eine zu erwartende Versagung der Reisekosten zu erheben. Mit Verweis, dass dieser und/oder ein ähnlich gelagerter Fall in wohl ca. einem Jahr beim BFH anhängig sein wird, sollte hier der entsprechende Einspruch anschließend mit Verweis auf das Az. des Revisionsverfahrens beim BFH (VI R 40/16) ruhend gestellt werden.
Sollte eine Einspruchsentscheidung ergehen, bleibt nur noch der Klageweg offen, welcher auf jeden Fall zunächst mit zusätzlichen Kosten verbunden ist – bei leider noch sehr ungewissen Ausgang der Revision vor dem BFH. Für Nachfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung und beraten Sie gerne!
Das TEAM von TaxCollector kämpft für Euch!
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